Zu Beginn des Jahres stellt sich die Frage, was aktuelle friedenspolitische Themen und Ansatzpunkte von Friedensaktionen in unserem Bundesland sein könnten. Die Konfrontation zwischen NATO und Russland nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an, außerdem wird NRW ab 2022 Standort der deutschen Atombomber. Auf der anderen Seite bieten die Landtagswahlen im Mai den Anlass, darüber nachzudenken, was landespolitische Ansatzpunkte von Friedenspolitik sein könnten. Unser Landesgeschäftsführer Joachim Schramm war Mitte Januar beim Arbeitskreis Frieden und Internationales der LINKEN eingeladen, um darüber zu referieren.
Archiv für Januar 2022
Kein Öl ins Feuer – gefeuert!
Zum Rücktritt von Marineinspekteur Vizeadmiral Schönbach
Ein Vizeadmiral der Marine spricht die Wahrheit aus und bekommt einen medialen Shitstorm, dem er sich mit einem Rücktrittgesuch unterwirft. Der Shitstorm bezieht sich aber nicht auf seine Position, Russland als Bündnispartner gegen China gewinnen zu wollen, sondern allein wegen seiner Nichtbeteiligung an der allgemeinen Verteufelung Russlands. Zwar gilt hierzulande, der Soldat sei ein Bürger in Uniform, für den Grundrechte gelten, und dass er letztlich seinem Gewissen als höchster Entscheidungsinstanz folgen müsse.
Dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, verbürgt im Artikel 5 GG, sind wohl durch das Soldatengesetz im §15 Grenzen gesetzt. Darin heißt es, „der Soldat“ darf sich im Dienst nicht zu Gunsten einer politischen Richtung betätigen.
War es schon eine politische Richtung, in die Vizeadmiral Schönbach mit seiner Einschätzung, die Vorstellung, Russland wolle die Ukraine überfallen sei Nonsense, die Krim sei unwiederbringlich für Kiew verloren, und auch Putin sei Respekt zu zollen sich betätigt hat?
Stehen die Äußerungen, die der Marineinspekteur in Indien gemacht hat, der hiesigen Generalmobilmachung gegen Russland so gefährlich im Weg, dass Schönbach seinem Jobverlust nur durch Rücktritt zuvorkommen konnte?
Zur Erinnerung: In beiden Weltkriegen wurde Russland von Deutschen Truppen überfallen, nicht umgekehrt; beim 2+4-Vertrag im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung war Russland zugesagt worden, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, also auch nicht nach Polen, Tschechien und Ungarn (Mitglieder seit 1999), oder nach Bulgarien, Rumänien und in die Baltischen Staaten (seit 2004 in der NATO).
Im Herbst 2021 fanden in der Ukraine Militärmanöver der NATO mit ca 6000 Soldaten statt. Im Juni 2021 probten 5000 Soldaten der NATO und deren Verbündeten am Schwarzen Meer im Rahmen eines Manövers namens SeaBreeze. Im April 2021 begann das NATO-Großmanöver defender21 mit 28.000 Soldaten im Südosten von Europa, und mit dem ein Jahr vorher begonnenen defender20 sollte das größte Militärmanöver der NATO seit 25 Jahren eine Truppenverlegung im Großen Stil an die Russische Grenze proben. Nur wegen Corona fanden diese Planungen seinerzeit nicht im geplanten Umfang statt. So relativiert sich der berechtigte Unmut über die russischen grenznahen Manöver.
Nebst diesen Provokationen gegen Russland wird die Ukraine derzeit hochgerüstet. Die USA kennt keine Beschränkungen für Waffenlieferungen, anders als die Bundesrepublik Deutschland und lieferte bereits tonnenweise Rüstungsgüter. Hierzulande heißt es im Kriegswaffenkontrollgesetz, dass die Genehmigung einer Lieferung zu versagen ist, wenn „die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden“. Die Ampel-Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Export von Rüstungsgütern restriktiver zu gestalten. Das geplante neue Gesetz solle eine „restriktive und klare“ Grundlage für die Ausfuhrentscheidungen schaffen.
Bis dahin gelten die politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern: „Einwendungen gegen die Verwendung deutscher Zulieferungen werden in der Regel nach Befassung des Bundessicherheitsrates z.B. geltend gemacht bei Exporten in Länder, in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden.“
Genau das ist hier der Fall. Möge Deutschland eine deeskalierende Funktion in diesem Konflikt einnehmen und sich nicht drängen lassen, Öl ins Feuer gießen.
Ein Jahr Atomwaffenverbotsvertrag
Am 22. Januar 2021 trat der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft, nachdem 50 Staaten ihn ratifiziert hatten. Inzwischen ist die Zahl der Ratifizierungen auf 59 angewachsen. Und auch sonst bewegt sich einiges rund um den Verbotsvertrag: Mit Norwegen und Deutschland haben zwei NATO-Staaten angekündigt, als Beobachter an der ersten Staaten-Konferenz des Vertrages teilzunehmen, die im März in Wien stattfindet. Das bedeutet zumindest, dass man den Vertrag nicht einfach ignorieren kann.
Auch sonst zeigt der Atomwaffenverbotsvertrag Wirkung: Immer mehr Finanzinstitute orientieren sich an dem Verbot zur Produktion von Atomwaffen und beenden die Finanzierung solcher Projekte. So empfahl im letzten Jahr der Ethikrat des Norwegischen Pensionsfonds ein Überarbeitung dessen Anlagekonzepts: Künftig sind unter anderem Kernwaffen, tödliche autonome Waffen und umstrittener Waffenhandel Ausschlusskriterien für die Geldanlage. Der Pensionsfonds ist der größte der Welt und hat damit auch Wirkung auf andere Fonds. Auch Banken in Deutschland diskutieren die Beendigung der Finanzierung von Atomwaffen-Unternehmen: https://atombombengeschaeft.de
Zum Jahrestag gibt es in einer Reihe von Orten in NRW Aktionen:
Die Kölner DFG-VK sendet über den Bürgerfunk Radio Köln am 21.1. um 20:30 Uhr den Beitrag „Atomwaffen, ziviler Ungehorsam, Verbotsvertrag“ mit Ariane Detloff (DFG-VK Köln) und Heidi Kassal (ICAN). Der Beitrag ist danach auch als podcast anzuhören.
Aachen: Samstag, 22. Januar 2022, 11:00 Uhr, Übergabe der Unterschriftenlisten „Aachener Appell“ aus Anlaß des 1. Jahrestages des Bestehens des Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) an Frau Ye- One Rhie (MdB SPD) und Oliver Krischer (MdB B90/Die Grünen und Parl. Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz), Rotunde des Elisenbrunnens, VA: Aktionsbündnis „Keine Atombomben rund um Aachen“ (u.a.: IPPNW, VVN, Pax-Christi und DFG-VK)
Bonn: Samstag, 22. Januar 2022, 14:00 Uhr, Kundgebung „Ein Jahr Atomwaffenverbot“, Markt, vor den Alten Rathaus, VA: Pax Christi Gruppe Bonn, Netzwerk Friedenskooperative, …
Köln: Samstag, 22. Januar 2022, 11:00-13:00 Uhr, Kundgebung angesichts des 1. Jahrestags des Atomwaffenverbotsvertrags, Domplatte, VA: Kölner Friedensforum
Münster: Samstag, 22. Januar 2022, 18:00 Uhr Mahnwache / Aktion „Licht im Dunkeln: Ein Jahr Atomwaffenverbot“ , am Kulturquartier Münster, Rudolf-Diesel-Str. 41 (coronakonform draussen), VA: ICAN-Gruppe Münster / Kulturquartier Münster
Raus aus der Eskalationsspirale
Hört man NATO-Vertreter oder die neue Bundesregierung in diesen Wochen, scheint es in der Konfrontation mit Russland nur ein „immer weiter eskalieren“ zu geben. Da werden Sanktionen verlängert, die neue deutsche Verteidigungsministerin Lamprecht will Putin „ins Visier nehmen“ und aktuell hat die NATO verkündet, ihre Schnelle Eingreiftruppe in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Ganz anders wird die Situation von 50 ehemaligen, eher konservativ aufgestellten deutscher Generälen, Botschaftern und Friedensforschern eingeschätzt. Sie haben Anfang Dezember einen Appell mit dem Titel Raus aus der Eskalationsspirale! Für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland veröffentlicht. Darin beschreiben sie ihre Sorge, dass aus dieser Eskalation eine Lage entsteht, in der ein Krieg nicht ausgeschlossen werden kann.
Es gilt deshalb jetzt alles zu tun, um die Eskalationsspirale zu durchbrechen. Ziel muss es sein, Russland und auch die NATO wieder aus einem konfrontativen Kurs herauszuführen. Es bedarf einer glaubwürdigen Russlandpolitik der NATO und der EU, die nicht gutgläubig-naiv oder beschwichtigend, sondern interessengeleitet und konsequent ist. Jetzt ist nüchterne Realpolitik gefragt.
Sie kritisieren dabei durchaus die russische Politik, sehen jedoch die NATO in der Verantwortung, aktiv auf Russland zuzugehen und für eine Deeskalation einzutreten. Diesen Appell sollte sich die neue Bundesregierung zu Herzen nehmen. Sie könnte einen anderen Kurs als ihre Vorgänger steuern und dazu beitragen, Europa aus dieser gefährlichen Situation herauszuführen!
Hier ein ZDF-Interview vom 23.12.21 mit dem Politikwissenschaftler Gerhard Mangott, einem der Unterzeichner des Appells: Experten: „Raus aus der Eskalationsspirale“
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, auch einmal aus Sicht Russlands auf den Konflikt zu schauen. Der Journalist Ulrich Heyden tut dies in seim Artikel im „Freitag“ vom 16.1..22 https://www.freitag.de/autoren/ulrich-heyden/reich-des-boesen
Der Willy-Brandt-Kreis, ein Zusammenschluss von Politiker:innen und Wissenschaftler:innen aus dem SPD-Umfeld, zeigt sich in einer Erklärung ebenfalls besorgt und unterstützt den Appell „Raus aus der Eskalationsspirale“:
Der Westen hat bisher nicht erkannt, wie zentral die Lage um die Ukraine für Russland ist. In dieser Situation müssen mehr Schritte unternommen werden, um einen Flächenbrand zu verhindern. Deutschland als wichtiges NATO-Mitglied und damit die neue Bundesregierung ist hier besonders herausgefordert.
WBK_VS_Erklaerung-des-WBK-Ukraine2.pdf (willy-brandt-kreis.de)
Die Ärzteorganisation IPPNW weist ebenfalls auf den Appell hin und begrüßt darüber hinaus die aktuell von vom russischen Außenministerium vorgelegten Vertragsentwürfe für gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO sowie zwischen Russland und den USA als ersten Schritt zu einer Deeskalation: Diplomatie statt Eskalation
Songs für den Frieden
4. Deutscher-Friedenssong-Wettbewerb 2022 / Schirmherr: Konstantin Wecker
Reicht Euren Song bis zum 31.03.2022 ein!
Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) veranstaltet 2022 zum vierten Mal den Deutschen-Friedenssong-Wettbewerb. Gesucht werden wieder neue Friedenslieder bzw. Antikriegslieder.
Sinn des Wettbewerbs ist es, politische oder persönliche Botschaften über den Frieden bzw. gegen Kriege in einen prägnanten Text zu fassen und in einer ansprechenden Musik zu präsentieren. Der Song soll Friedensaktivisten in ihrer Arbeit bestärken und möglichst viele Menschen anregen, sich an gewaltlosen Aktionen gegen Kriege und für den Frieden zu beteiligen.
Texter, Komponisten und Musiker, auch wenn sie abseits der Mainstream-Musikindustrie arbeiten, sind aufgerufen sich am Wettbewerb zu beteiligen. Blues, Pop, Rap, Jazz, Reggae, Rock usw., jedes Musikgenre ist zugelassen und es gibt keine Altersbegrenzung. Willkommen sind auch Chöre und Musikschulen.
Wichtige Wettbewerbsvoraussetzung ist allerdings, dass die Urheber des Textes und der Komposition nicht bei der GEMA oder einer anderen Verwertungsfirma angemeldet sind und der Song dadurch GEMA-frei ist. Denn für die Zahlung von GEMA-Gebühren haben die Veranstalter kein Geld zur Verfügung. Wer den Song singt und spielt ist in Bezug auf die GEMA nicht relevant. Es können also auch bekannte Sängerinnen und Sänger bzw. Musiker bei der Performance dabei sein.
Mehr dazu auf Friedenssong.de