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29. Juni 2021 von Felix Oekentorp

Tausende besorgte Menschen demonstrierten für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit – Dutzende behelmter Polizist:innen demonstrierten mit Schlagstöcken ihre Macht

Das Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen – Grundrecht erhalten!“ hatte für Samstag den 26. Juni zur Großdemo gerufen, und die Resonanz war derart groß, dass der Auftakt auf die Rheinwiese verlegt werden musste. Eigene Blöcke in der Demo gab es für Jurist:innen, für Antifaschist:innen, für Fußballfans sowohl aus Düsseldorf wie aus Köln. Auch ein Jugendblock, ein Block Klimagerechtigkeit und einer der Linkspartei gehörte zu den realen Verfassungsschützer:innen, die gegen den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Zerstörung des GG-Artikels 8 protestierten.

Das staatliche Gewaltmonopol, eine zivilisatorische Errungenschaft ist entstanden um den Krieg aller gegen alle zur Durchsetzung von Einzelinteressen zu verhindern. Dies funktioniert durch allgemeine Akzeptanz die wiederum von den staatlichen Akteuren eine strenge Einhaltung der Regeln voraussetzt. Das Gewaltmonopol funktioniert, wenn alle legitime Ausübung von Gewalt unter genau festgelegten Voraussetzungen und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angewendet wird. Für den Fall des Versagens der staatlichen Rechtsordnung oder falls der Staat selbst zur Bedrohung für die Rechte der Bürger wird, erlaubt das Grundgesetz in Artikel 20.4 den Widerstand. Es heißt dort „Gegen jeden der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

Nun war am Samstag eine bunte und heterogene Demo in Düsseldorf unterwegs, derweil die Polizei massiv aufgerüstet auf eine Eskalation geradezu wartete. Am Landtag, dem geplanten Ziel der Demo wartete ein gepanzerter Wasserwerfer auf seinen Einsatz, entlang der gesamten Marschstrecke waren ungezählte behelmte Polizist:innen im Einsatz und schufen so ein Szenario, das einige Demonstrant:innen mit dem G8-Gipfel in Genua 2001 oder den G20-Gipfel 2017 in Hamburg verglichen.
Die anfängliche friedliche Stimmung wurde zunehmend durch Attacken der Polizei gegen den Antifa-Block getrübt, schon auf der Rheinbrücke gab es entsprechende Durchsagen der Lautsprecherwagen, dass hier Eskalationen durch die Polizei stattfinden. In der Aktuellen Stunde des WDR gab es um 19:25 Uhr einen knapp einminütigen Beitrag zur Demo, darin war kein Wort über die zu dem Zeitpunkt schon massiven Attacken der Polizei.

Ein Teilnehmer berichtet: „Das erste Vorkommnis passierte, als ich in Höhe zwischen Ratinger Tor und Museum war. Die Demonstration hielt an und Menschen strömten zurück zum Ratinger Tor. Ich hatte die Information, dass „wir uns solidarisieren“ sollten, da es wohl Vorkommnisse mit der Polizei gab. Ich sah, dass Polizei – vornehmlich martialisch uniformiert  bzw. mit Helm ausgestattet – zur Kreuzung auf Höhe Ratinger Tor ging. Der Lautsprecherwagen gab die Information, dass die Aggression von der Polizei ausging und sich die Auseinandersetzung bis in den Hofgarten hinzog und die Demonstration vorerst nicht geregelt weiter ginge, bis die Ursachen der Eskalation, das Hineingehen der Polizei in die friedliche Demonstration, beendet sei. Es wurde vom Lautsprecherwagen aus immer versprochen, dass niemand allein  zurückgelassen werde.“

Bilanz der Eskalationen: Die Demo erreichte ihr Ziel nicht, ca 100 Demoteilnehmer:innen wurden von Reizgas verletzt, mindestens 14 Personen wurden in die Gefangenensammelstelle verbracht, der Antifablock ist fast 6 Stunden gekesselt worden, stundenlang ohne anwaltliche Unterstützungsmöglichkeit und ohne Zugang zu Wasser und Toiletten. Im Kessel waren mindestens 30 Minderjährige die teils bis 23:30 dort zum Ausharren gezwungen waren. Ein Polizeihubschrauber kreiste stundenlang über der Demonstration und verbreitete dadurch ein unerträgliches Bedrohungsszenario.

Erst in der Tagesschau am darauffolgenden Sonntag wurde über die polizeilichen Ausschreitungen berichtet.
Es bleibt ein Funke Hoffnung, dass dieser Skandal ein juristisches Nachspiel für Innenminister Reul und seine Komplizen in der Einsatzleitung der Polizei haben wird. Klagen gegen diesen Polizeieinsatz hat die Linkspartei bereits angekündigt. Im Landtag wird es am Donnerstag den 1. Juli 2021 von 10 Uhr bis 11:30 eine aktuelle Stunde auf der Tagesordnung, die live im Internet übertragen wird.

Die Schäden die durch diese Polizeigewalt entstanden sind, gehen weit über die individuellen Verletzungen und Freiheitsberaubungen der Demonstrant:innen hinaus. Das Vertrauen der Bürger:innen in die staatlichen Institutionen ist erneut angegriffen, und wenn Herbert Reul durch diese Eskalation der Bevölkerung weis machen will, wie wichtig „sein“ Gesetz gegen die Versammlungsfreiheit wohl sei, dann hat er sich geirrt. Nach diesen Ausschreitungen ist noch deutlicher geworden, dass wir unsere Freiheitsrechte dringend verteidigen  müssen.

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